Das Ringgleis – ein multifunktionaler Stadtraum zwischen Gestern und Morgen

von Dipl.- Ing. Hans-W. Fechtel / braunschweiger forum e.V.

Wenn der Mensch etwas nicht mag, dann sind es langweilige, inhaltsleere und/oder monotone Stadträume. Manche autogerechte Planungen aus den 1960er Jahren muten uns noch heute so an. Von StadtplanerInnen angestrebt wird seit vielen Jahren das genaue Gegenteil. Idealbild ist der multifunktionale Stadtraum, der von Anwohnern und Besuchern intensiv und vielfältig genutzt wird, Kinder zum Spielen einlädt, Jugendliche zum Verweilen und alle zum Sehen und Gesehenwerden. Das muss nicht immer ein schicker Boulevard sein; oft verfügen auch gut gestaltete Stadtplätze über diese Anreizwirkungen und Qualitäten, in Braunschweig beispielsweise der Kohlmarkt. Hier gibt es nicht nur Marktstände, Cafés und allerlei kulturelle und gastronomische Veranstaltungen. Hier trifft sich auch sonst Jung und Alt, Arm und Reich. Hier wird konsumiert, informiert, demonstriert, und man genießt das alles bei einem Bier, einem Cappuccino oder Latte im Kreise von Freunden oder zufälligen Bekannten.

Über ähnliche Qualitäten verfügt in Braunschweig auch ein historisch gänzlich anderer Stadtraum: das Ringgleis. Wo früher einmal die Züge Waren und Pendler zu den anliegenden Fabriken transportierten, ist nach der Stilllegung der Bahnanlagen in den letzten 20 Jahren ein höchst interessanter, grüner Erholungsraum rund um die Kernstadt entstanden. Heute sieht man hier neben Radlern und Spaziergängern auch Jogger, GassigeherI, Inline-Skater, Mütter + Väter mit Kinderwagen, Rollatoren, Freilufttrinker, Grafitti-Künstler und, und, und ...

Dem Ganzen kann man nicht nur von Bänken und Spielplätzen aus zusehen. Mittlerweile gibt es auch eine ganze Reihe von Cafés, an denen man seinen Spaziergang oder seine Radtour genussvoll unterbrechen kann. Einige – wie das Café „Spunk“, der „Garten ohne Grenzen“ oder das „Haus der Kulturen“ im Nordbahnhof veranstalten sogar Konzerte und Lesungen. Ein neues Highlight ab dem Spätsommer 2022 wird sicher der neue Nordpark mit seinen diversen Spiel- und Bewegungsangeboten.

Das Besondere am Ringgleis: die Relikte und Installationen, mit denen an die Braunschweiger Industrie- und Eisenbahngeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts erinnert wird. Interessant in dieser Hinsicht vor allem das Areal am ehem. Westbahnhof, aber auch am ehem. Nordbahnhof. Hier erinnern zahlreiche „Industrie-Container“ an die früheren Fabriken und ihre Produkte, werden die Lebensbedingungen der Bevölkerung in den Arbeiterquartieren lebendig. An den Stationen der „Braunschweiger ZeitSchiene“ erfährt man zudem manch Wissenswertes über bedeutende Persönlichkeiten und Ereignisse dieser Jahre.

Das Ringgleis ist zudem zu einer Art Rückgrat für die jüngere Wohnbauentwicklung der Stadt geworden. Auf den ehemaligen Industriearealen sieht man zunehmend 4- bis 5-geschossige Wohnungsneubauten, Mehrfamilienhäuser und Stadtvillen. Viele junge Familien haben hier ein Zuhause mit einem hochinteressanten Wohnumfeld gefunden. Beste Bedingungen also zum Einleben und zum „Settledown“.

(14.08.2022)